Was ist Kinder- und Jugendbeteiligung?
Kinder- und Jugendliche haben ein Recht darauf in allen Belangen, die ihre Lebenswelt betreffen, beteiligt zu werden.
Dieses Recht auf Beteiligung betrifft verschiedenen Ebenen des täglichen Lebens. Ob zu Hause bei der Planung des Familienurlaubs oder in der Schule, wenn über die Gestaltung des Klassenraums diskutiert wird. Aber auch in Freizeitvereinen, Jugendverbänden, der Politik und Verwaltung haben Kinder und Jugendliche ein Recht auf Beteiligung.
Was ist Kinder- und Jugendbeteiligung?
Kinder- und Jugendbeteiligung bedeutet, dass:
Warum braucht es Kinder- und Jugendbeteiligung?
Kinder- und Jugendbeteiligung ist ein Menschenrecht und ein Grundrecht. Es gibt in vielen Bereichen und auf vielen Ebenen Demokratie- und Partizipationsregelungen, um dieses Recht auf Beteiligung von Kindern und Jugendlichen gesetzlich zu verankern, wie zum Beispiel im Grundgesetz, im Baugesetzbuch (BauGB) oder auch in der UN-Kinderrechtskonvention. Ein weiteres Beispiel sind gesetzliche Grundlagen für Wahlgesetze auf der Landes- und Kommunalebene, wobei es um die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre geht. Schließlich ist Beteiligung nicht verboten, sondern ein Recht und sollte auch aus diesem Grund eine zentrale Rolle in der demokratischen Entwicklung der Stadt spielen.
So spielt Beteiligung eine zentrale Rolle in der politischen Bildung: Kinder- und Jugendliche lernen über Beteiligung wie Demokratie funktioniert und wie sie ihre Stimme einbringen können. So kann schon früh eine Politikdistanz vermieden werden. Die Distanz zur Politik bzw. die Politikerverdrossenheit macht sich auch bei den jüngeren Menschen der Gesellschaft bemerkbar, sei es durch komplizierte Themen, langweilige Diskussionen in den Räten und Parlamenten oder fehlendes Verständnis der Interessen junger Menschen in den Entscheidungsprozessen von Politiker*innen. Damit sich die junge Generation wieder für politische Themen interessiert und engagiert, müssen die nicht zeitgemäßen Strukturen aufgebrochen werden. Beteiligung junger Menschen und deren Ergebnisse müssen gemeinsam mit den politischen Entscheidungsträger*innen ausdiskutiert werden, damit auch die ältere Generation der Politiker*innen die Perspektiven junger Menschen und Kinder verstehen, ernst nehmen und als ihre politischen Repräsentanten wirksam sein können.
Ein wichtiges Feld für Kinder- und Jugendbeteiligung ist die Stadtteilentwicklung. Denn die Entwicklung der Stadt bzw. der einzelnen Stadtteile sollen die Interessen und Wünsche aller Generationen berücksichtigen. Dabei kommt es oftmals zu einer Ungleichheit, da ein Großteil unserer Gesellschaft die ältere Generation ausmacht, was durch den demografische Wandel verstärkt wird. Außerdem ist der größte Teil der Wählerschaft durch die ältere Generation geprägt, weswegen sich politische Themen oftmals um deren Interessen drehen.
Um dieses Konstrukt zu durchbrechen, kann eine gemeinsame Stadtteilentwicklung einen Beitrag leisten, wie z.B. bei den Prozessen des Studios Südstadt geglückt ist. Hier wurden generationsübergreifende Beteiligungsformate durchgeführt, bei denen die Wünsche und Interessen aller Bürger*innen berücksichtigt wurden und die verschiedenen Generationen in einen Austausch treten, um zusammen an der Entwicklung des Stadtteils zu arbeiten. So kann man den Stadtteil für alle Generationen attraktiv gestalten. Darüber hinaus erhalten Jugendliche und Kinder die Chance, von Politiker*innen wahrgenommen zu werden und ihr demokratisches Denken und Engagement zu erweitern.
Kinder und Jugendliche sind „Expert*innen in eigener Sache“ und verfügen über sehr viel Spezialwissen, das genutzt werden kann. Daher sind Kinder und Jugendliche in Planungsprozesse miteinzubeziehen. Durch die Einbeziehung von Kindern und Jugendlichen kann dieses Wissen in den Planungsprozess fliessen und die Repräsentativität der Beteiligung gesteigert. Die verbessert letztlich die Qualität des gesamten Planungsprozesses – denn wenn es umgesetzt ist, dient es allen Menschen dem es nutzen soll. Durch die Berücksichtigung der Wünsche und Vorstellungen junger Menschen bei Themen, die in ihren Interessensbereich fallen, wird die Planung eines Prozesses einfach besser.
Die Einbeziehung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in partizipative Prozesse ermöglicht eine Vielfalt von Perspektiven, die zu umfassenderen und ausgewogeneren Lösungen führen. Jede Altersgruppe bringt ihre eigenen Lebenserfahrungen, Werte und Sichtweisen ein, die dazu beitragen, weisse Flecken zu identifizieren und eine ganzheitliche Betrachtung von Themen zu ermöglichen. Durch die Berücksichtigung verschiedener Perspektiven können Entscheidungen besser informiert und gerechter gestaltet werden, was letztendlich zu positiven Ergebnissen für die gesamte Gemeinschaft führt.
Die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Entscheidungsprozessen stärkt ihr Selbstbewusstsein, ihre Selbstwirksamkeit und ihr Verantwortungsbewusstsein. Indem sie die Möglichkeit haben, ihre Meinungen zu äußern und an der Gestaltung ihrer Umgebung teilzunehmen, lernen sie, dass ihre Stimmen gehört werden und dass sie die Fähigkeit haben, positive Veränderungen herbeizuführen. Dieses Gefühl der Empowerment ist entscheidend für ihre persönliche Entwicklung und ihr Engagement für die Gesellschaft, da es sie dazu ermutigt, sich aktiv einzubringen und Verantwortung für ihr eigenes Leben und ihre Gemeinschaft zu übernehmen.
Die Einbeziehung aller Altersgruppen in Entscheidungsprozesse erhöht die Legitimität von politischen Maßnahmen und fördert das Vertrauen in demokratische Institutionen. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass ihre Stimmen gehört und ihre Bedenken ernst genommen werden, sind sie eher bereit, sich an politischen Prozessen zu beteiligen und die getroffenen Entscheidungen zu akzeptieren. Transparenz und Offenheit in Entscheidungsprozessen sind entscheidend, um das Vertrauen der Bürger*innen in die demokratischen Institutionen zu stärken und eine gerechte und inklusive Gesellschaft zu fördern.
Die Einbindung von Kindern und Jugendlichen in partizipative Prozesse fördert langfristig eine nachhaltige Entwicklung, da sie ein Bewusstsein für soziale, ökologische und wirtschaftliche Aspekte schafft und sie dazu ermutigt, aktiv an der Gestaltung ihrer Zukunft teilzunehmen. Indem sie frühzeitig in Entscheidungsprozesse einbezogen werden und die Möglichkeit haben, ihre Ideen und Visionen einzubringen, entwickeln sie ein Gefühl der Verantwortung für ihre Umwelt und ihre Gemeinschaft. Dies legt den Grundstein für eine nachhaltige und gerechte Entwicklung, die den Bedürfnissen der aktuellen und zukünftigen Generationen gerecht wird.
Welche Formen der Kinder- und Jugendbeteiligung gibt es?
Die Einbindung von Kindern und Jugendlichen sowie Erwachsenen in partizipative Prozesse ist entscheidend für eine inklusive und demokratische Gesellschaft. Wie beide Gruppen voneinander profitieren können, kann an folgenden Aspekten festgehalten werden:
1. Intersektionale Projekte und Programme
Intersektionale Projekte und Programme spielen eine entscheidende Rolle bei der Förderung von Kinder- und Jugendbeteiligung sowie der Integration in die Erwachsenenbeteiligung. Durch Initiativen, die Kinder, Jugendliche und Erwachsene zusammenbringen, können sie gemeinsam an Themen arbeiten, die für ihre Gemeinschaft von Bedeutung sind. Diese Zusammenarbeit fördert nicht nur das Verständnis und die Empathie zwischen den Generationen, sondern ermöglicht auch einen interdisziplinären Ansatz zur Lösung komplexer Herausforderungen. Eine wichtige Voraussetzung für einen gelungenen intergenerativen Prozess ist, dass die Kinder- und Jugendbeteiligung der Erwachsenenbeteiligung vorangestellt wird und die Kinder- und Jugendlichen bereits ihre eignene Positionen und Ergebnisse herausarbeiten konnten, bevor sie in den Austausch mit Erwachsenen treten. Eine Grundvoraussetzung für alle Prozesse ist die altersentsprechende Ansprache und Methodik.
2. Intergenerationelle Dialoge und Austausch
Intergenerationelle Dialoge und Austauschforen bieten eine wertvolle Gelegenheit für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, sich zu treffen, um Erfahrungen, Geschichten und Perspektiven auszutauschen. Diese Foren schaffen eine Atmosphäre des Respekts und des Lernens, in der jede Altersgruppe von den Erfahrungen und Erkenntnissen der anderen profitieren kann. Durch den Austausch von Wissen und Lebenserfahrungen werden Barrieren abgebaut und Verbindungen zwischen den Generationen gestärkt.
3. Partizipative Entscheidungsprozesse
Die Einbindung von Kindern und Jugendlichen in partizipative Entscheidungsprozesse ist ein wesentlicher Schritt zur Förderung ihrer Beteiligung an gesellschaftlichen Angelegenheiten. Partizipative Entscheidungsprozesse ermöglichen es ihnen, aktiv an der Gestaltung ihrer Umgebung teilzunehmen und ihre Stimme zu Gehör zu bringen. Dies kann durch die Schaffung von Jugendbeiräten, die Einbeziehung von Schülern in die Schulverwaltung, die Organisation von Jugendparlamenten oder die Teilnahme an lokalen Gemeinderatssitzungen geschehen. Indem Kinder und Jugendliche in die politischen Entscheidungsprozesse eingebunden werden, werden sie dazu ermutigt, Verantwortung zu übernehmen und ein Gefühl der Zugehörigkeit zur Gemeinschaft zu entwickeln.
4. Förderung von Mentorings und Peer-to-Peer-Lernen
Die Förderung von Mentorings ist ein wirksamer Ansatz, um die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu unterstützen und den generationsübergreifenden Austausch zu fördern. Durch die Bereitstellung von Mentor*innen können junge Menschen von den Erfahrungen und Ratschlägen älterer Generationen profitieren und wertvolle Fähigkeiten und Kompetenzen erwerben.
Peer-to-Peer-Lernen bringt gleichalterige in Kontakt und ermöglicht Kindern- und Jugendlichen von und vor allem miteinander zu lernen. Peer-to-Peer-Lernen ermöglicht es ihnen, voneinander zu lernen, sich gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam an Projekten zu arbeiten. Diese Formen der Unterstützung und Zusammenarbeit tragen dazu bei, das Selbstbewusstsein und die Selbstwirksamkeit von Kindern und Jugendlichen zu stärken und eine unterstützende Gemeinschaft aufzubauen, in der jeder Einzelne gedeihen kann.
5. Forumtheater für Jugendpolitik
Ein sehr erfolgreiches Medium, das Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit bietet ihre Interessen und Positionen zu bilden und Erwachsenen und Entscheidungsträger*innen zu präsentieren ist das Forumtheater nach Augusto Boal. Hier präsentieren Kinder- und Jugendliche in Form einer interaktiven Theateraufführung Probleme und Hürden die sie in ihrem Alltag begegnen und die sie verändern möchten. Das Publikum ist in der zweiten Hälfte der Vorführung aufgefordert sich einzubringen und Lösungsvorschläge „einzuspielen“. Dieses Format bestärkt Kinder- und Jugendliche ihre Belange zu formulieren und ermöglicht Erwachsene und Entscheidungsträger*innen ihre Perspektiven einzunehmen um schließlich gemeinsam Lösungen zu erproben. Das Medium des Theaters schafft dabei eine Augenhöhe, da es nicht nur um eloquentes Argumentieren geht, sondern passende Lösungen einzuspielen und dies in der Sprache und Logik der Szenen die die Kinder und Jugendlichen kreiieren.
Welche Haltung braucht die Kinder- und Jugendbeteiligung?
Wichtig in der Umsetzung von Kinder- und Jugendliche ist nicht nur passende Formate, Methoden und Ansprache zu finden, sondern auch eine ihnen zugewandte Haltung einzunehmen die umfasst, dass:
„Kinder und Jugendliche sind entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen (…) zu beteiligen.“ So steht es im SBG VIII zur Kinder- und Jugendbeteiligung. Doch wo liegen die Unterschiede zwischen Kinderbeteiligung und Jugendbeteiligung und gibt es sie überhaupt?
Die Unterschiede finden sich in den angewandten Methoden, Formaten und Themen zur Beteiligung und wie man diese entsprechend der Altersgruppe vermittelt. Dabei ist zunächst zu beachten Kinder- und Jugendliche generell nicht in einem Format zu beteiligen sondern entsprechend der Altersgruppen und dem Entwicklungsstand passende Formate, Didaktik und Ansprache zu finden. Grundsätzlich ist diese für Jugendliche anders als für Schulkinder und diese wiederum eine andere von kleinen Kindern (die zumeist mit ihren Eltern zu beteiligen sind).
Passende Format- und Methodenwahl, Vor-, Auf und Nachbereitung der Themen, altersgerechte Sprache, Abstraktion und Komplexität des Themas, etc. sind alles Punkte, die in unterschiedlichen Altersgruppen unterschiedlich gedacht und umgesetzt werden müssen. Während sich Themen an kleinere Kinder stärker an sie und ihre unmittelbare Lebensumwelt richten sollten, steigt mit zunehmenden Alter auch die Auffassungsgabe für komplexere und abstraktere Prozesse. Hilfestellung für die Erarbeitung eines des Entwicklungsstandes entsprechenden Beteiligungsprozess können dabei die Expert*innen aus den jeweiligen Institutionen wie Kita, Schulen, Stadtteil- und Begegnungszentren etc. geben und sollten auch besonders bei jüngeren Teilnehmer*innen immer mitgedacht werden. Zu beachten dabei ist aber, dass Kinder und Jugendliche ihre Interessen selbst vertreten und nicht durch die Expert*innen vertreten werden, sondern nur begleitet.